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Mainstream Breakdown #16: New Era - Improved Product?

Kolumne

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Published on:
19.05.2016, 10:50 
Category:
Series:
Mainstream Breakdown (All entries of this article series)
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Eine neue Ära wurde den Fans von World Wrestling Entertainment nach Payback versprochen. Und tatsächlich weht größtenteils ein frischer Wind durch das WWE-Produkt. Mit der Doppelspitze bestehend aus Stephanie McMahon und Shane McMahon leitet ein dynamisches Gespann die Geschehnisse von Monday Night RAW, was definitiv etwas Erfrischendes mit sich bringt. Die Intercontinental Titelszene ist nach dem sinnlosen Titelwechsel bei WrestleMania 32 nun so interessant wie lange nicht mehr, weil vier Männer, besonders natürlich Kevin Owens, einfach mal zeigen dürfen, was sie können. Es fanden eine Menge neuer Gesichter ihren Weg zu RAW und Smackdown. Angefangen bei Apollo Crews und Baron Corbin, über die Vaudevillains sowie Enzo & Cass, bis hin zu Karl Anderson & Luke Gallows, die gleich einmal in einer der wichtigsten Storylines aktuell mitwirken dürfen. Die Damen-Division scheint endlich die langersehnte Aufmerksamkeit bzw. Zeit zu bekommen. Und zu guter Letzt steht mit AJ Styles ein Mann im Main Event, den vor 12 Monaten wohl die wenigsten Beobachter an dieser Position erwartet hätten. Doch ist das wirklich alles so gut, neu und innovativ, wie es uns WWE verkaufen will?

Keine Frage, die Zeit nach WrestleMania brachte 2016 wohl einen größeren Umschwung als noch in den Jahren zuvor. Mit Sicherheit auch etwas aus der Not geboren, denn obwohl große Namen wie John Cena, Randy Orton und Seth Rollins bald wieder zurückkehren dürften wird man seitens WWE festgestellt haben, dass man auch hinter diesen Männern Stars braucht, die Zuschauer zum Einschalten bewegen. Mit Enzo Amore & Big Cass hat man da gleich einen der populärsten Acts überhaupt etabliert, Sami Zayn konnte sich binnen weniger Wochen als ein starkes Uppercard Babyface positionieren und auch die Vaudevillains und Dana Brooke werden ihre Nische zeitnah finden, da bin ich mir sicher. Auf der Kehrseite der Medaille steht dann aber beispielsweise ein Apollo Crews, der nur wenige Wochen nach seinem Debüt in die Bedeutungslosigkeit abgedriftet ist. Momentan bestreitet er fleißig Matches bei den C-Shows Superstars und Main Event, ohne wirklichen Sinn und Hintergrund. Man hat das Gefühl, als wüsste man nach anfänglicher Euphorie gar nicht, was man mit dem talentierten Mann aus Georgia anfangen soll. Eine neue Problematik ist das bei weitem nicht, Neville und Tyler Breeze sind die jüngsten Beispiele aus dem letzten Jahr, die beweisen, dass eine Beförderung von NXT nicht gerade eine Verbesserung sein muss. Zumal sich mir eh nie wirklich erschloss, warum man Männer wie Crews und Corbin (wobei letzter schon wesentlich reifer scheint) hochziehen muss, während andere talentiertere Wrestler wie Samoa Joe oder Finn Balor bei NXT bleiben. Klar, der Nachwuchsbrand braucht den ein oder anderen gestandenen Superstar an der Spitze. Nüchtern betrachtet hätten Crews und Corbin die Zeit bei NXT jedoch wesentlich nötiger, um sich und ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln.

Ganz ähnlich ist das bei Dana Brooke. Ich mag die Dame durchaus, weil sie sich in der kurzen Zeit, in der sie bei NXT war, schon enorm weiterentwickelt hat. Dazu kommt eine wirklich tolle Ausstrahlung, die sie zu einer der Aushängeschilder der NXT Women's Division hätten werden lassen können. Eine Division, die momentan eh dünn an wirklich fähigen Damen besetzt ist. Stattdessen zieht man sie überhastet ins Main Roster hoch, obwohl auch ihr noch einige Monate Entwicklungszeit gut zu Gesicht gestanden hätten. Da kann man nur hoffen, dass man für Dana Brooke wenigstens einen langfristigen Plan hat. Mein Optimismus hält sich da etwas in Grenzen, weil ich nicht das Gefühl habe, dass WWE momentan viel Gehirnschmalz in das Booking der Frauen steckt. Klar, die Titelfehde zwischen Charlotte und Natalya ist prominent vertreten, hat aber ebenfalls ihre nicht zu verkennenden Schwächen. Wirklich traurig finde ich jedoch, dass man abseits davon nichts mit dem Damen anstellt. Die Minifehde zwischen Becky Lynch (ein Jammer, wie sie momentan verheizt wird) und Dana/Emma ist praktisch schon die kleine Ausnahme. Sasha Banks, Paige, Naomi, Alicia Fox, Summer Rae... sie alle haben nichts zu tun. Dabei wäre es nun wirklich nicht schwer, eine kurze Fehde zwischen beispielsweise Sasha und Paige aufzubauen. Zeit ist bei RAW und SmackDown weiß Gott genug und es würde zeigen, dass sich eben nicht alles nur immer um das Gold drehen muss. Da wird meiner Meinung nach eine Menge Potential liegen gelassen.

Doch kommen wir mal zu dem Punkt, der mir momentan der größte Dorn im Auge ist und der der finale Anlass war, warum ich mich mal wieder an einen Artikel gesetzt habe: die Main Event-Fehde. Aufmerksame Leser dieser Kolumne und/oder Hörer des CageCasts werden wissen, wie sehr ich mit der aktuellen Darstellung von Roman Reigns auf Kriegsfuß stehe. Der Main Event von WrestleMania 32 tat da sein Übriges, denn dort konnte mich der amtierende WWE World Heavyweight Champion in keinster Form überzeugen und vergrößte praktisch nur den Überdruss, den ich für ihn verspüre. "Aber gut", dachte ich, "mit AJ Styles gibt es zumindest einen neuen, interessanten #1 Contender". Natürlich habe ich zu keinem Zeitpunkt auch nur im Entferntesten damit gerechnet, dass der "Phenomenal One" den Hauch einer Chance hat, Reigns das Gold abzunehmen. Was mir bzw. uns in den vergangenen Wochen allerdings geboten wurde, verdient einen fetten Daumen nach unten.

Bis zum Debüt von Anderson & Gallows war das ja alles noch grundsolide. Es gab die klassische und von meinem Kollegen CM Flosch so befürwortete "Wer ist der Beste?"-Fehde zwischen zwei Top-Stars. Da hatten wir auf der einen Seite den amtierenden WWE World Heavyweight Champion, "THE GUY", Roman Reigns. Und auf der anderen Seite forderte ihn mit AJ Styles ein Mann heraus, dem sein Ruf als erstklassiger Wrestler schon vor seinem Debüt beim Marktführer vorauseilte. Gut, dieses Standing war nach der cleanen und im Nachhinein gesehen völlig unnötigen Niederlage bei WrestleMania gegen Chris Jericho eh schon stark angekratzt. Dennoch war es an sich nicht schwer, die beiden auf annähernd dem gleichen Level dastehen zu lassen. Also in der Theorie. In der Praxis war das nach Payback alles Schall und Rauch. Dort konnte sich Roman Reigns, Superman der er ist, natürlich gegen drei Männer durchsetzen. Also, um es nochmal zu verdeutlichen: der Champion musste einen Phenomenal Forearm durch den Tisch und später einen weiteren im Ring einstecken, kassierte den Tag Team Finisher von Anderson & Gallows und wurde von einem 450 Splash getroffen, nur um aus all dem problemlos auszukicken und das Match schließlich nach nur einem Spear zu gewinnen. Dass der Phoenomenal Forearm ja kein richtiger Finisher ist lasse ich als Argumentation nicht wirklich gelten, weil ihn die Kommentatoren immer als matchendendes Manöver verkaufen. Jeder, der danach immer noch behauptet, WWE würde Reigns nicht als Superman booken, sollte seine Wahrnehmung des Superhelden noch einmal überdenken. Denn Reigns kann nicht nur einstecken wie Superman, seine Signature Moves haben auch einen heldenmäßigen Impact, sodass davon meistens schon einer reicht, um den Kampf für sich zu entscheiden.

Eine bekannte deutsche TV-Werbung sagt ja so schön: "Ist er zu stark, bist du zu schwach". Genau der Spruch ging mir bei dieser Fehde immer wieder durch den Kopf. AJ Styles wurde clean besiegt. Genau genommen wurden er und seine beiden Freunde von einem Mann clean besiegt. Warum also bekommt der Mann noch ein weiteres Titelmatch? WWE hat nichts getan, was mich jetzt noch im Entferntesten glauben lässt, dass Styles Reigns besiegen kann. Selbst wenn "The Club" noch eingreift würde ich davon ausgehen, dass Reigns problemlos gewinnt. Besonders, wenn der noch die Hilfe von den Usos bekommt. So ist es ja nicht nur die zu starke Darstellung von Reigns respektive die zu schwache Darstellung von Styles, die hier nicht stimmt. Anderson & Gallows kommen bei weitem nicht so rüber, als seien sie für irgendjemanden eine ernsthafte Bedrohung. Wirklich "gefährlich" wirkten sie eigentlich nur, wenn sie jemanden hinterrücks attackieren durften.

Die "heelige" Darstellung der beiden Neuankömmlinge und die damit einhergehende Rollenverteilung in dieser Fehde ist ein weiterer Schwachpunkt. Denn AJ Styles ist ja an sich kein offenkundiger Heel. Im Gegenteil, eigentlich verurteilt er die unfairen Taktiken seiner Kumpels ja, nur um im nächsten Moment doch wieder an deren Seite zu stehen?! Soll ich AJ Styles jetzt also mögen? Oder doch eher nicht, weil er ja im Grunde alles billigt, was Anderson & Gallows so anstellen? Auf jeden Fall hat man es geschafft, den neutralen Teil des Publikums, also diejenigen, die Roman und Styles ganz dufte fanden, nun leicht gegen den Herausforderer aufzubringen. Das Problem dabei ist nur, dass im Umkehrschluss die Jubelrufe für den amtierenden Champion nicht wirklich lauter wurden. Es ist irgendwie eine komische Konstellation, auf deren Basis ich nicht wirklich emotional involviert werde. Also, ich persönlich ja schon, weil Styles geil und den 08/15-Face-Reigns kacke finde. Aber ich denke ihr versteht, was ich meine.

Bei Extreme Rules steht man so ein bisschen am Scheideweg für alle Beteiligten. Sehen wir wirklich das, was viele erwarten, nämlich einfach einen weiteren dominanten Reigns-Sieg? Und wenn ja, was wird danach aus Styles, Anderson & Gallows? Im Sinne der Storyline wäre ein endgültiger Heelturn Styles‘ (einhergehend mit einem Titelgewinn) oder eine Attacke von Anderson & Gallows auf Styles die logischsten Varianten, um auch nach dem PPV eine Fortsetzung zu haben. Ein Debüt von Finn Balor an der Seite der ehemaligen IWGP Tag Team Champions fände ich ganz reizvoll, weil eine Fehde zwischen Styles und dem "Demon" viel verspricht und mit der Japan-Vergangenheit der beiden auch sofort eine sinnvolle Hintergrundstory da wäre. Allein der Glaube daran fehlt mir. So oder so bin ich eigentlich ganz froh, wenn diese Geschichte vorbei ist, denn mich packt sie schon seit Wochen nicht mehr. Da bei Money In The Bank aber höchstwahrscheinlich ein Ladder Match um den Titel auf dem Plan steht, würde es mich nicht einmal überraschen, wenn wir diese Paarung noch ein drittes Mal zu sehen bekommen.

Unterm Strich kann man schon sagen, dass sich World Wrestling Entertainment momentan frisch anfühlt. Wie einleitend bereits erwähnt gibt es durchaus Dinge, die richtig Spaß machen und zeigen, dass die Richtung in vielen Bereichen stimmt. Mit Kevin Owens, Sami Zayn und hoffentlich auch Cesaro bekommen drei Leute für die Zukunft verdientes Spotlight, die Tag Team Division scheint so belebt wie lange nicht und auch mit den Damen ist man auf dem richtigen Weg, obwohl da noch Luft nach oben ist. Wenn ich mir jedoch das Gesamtprodukt, die Verwendung einzelner Superstars und insbesondere die Main Event-Fehde vor Augen rufe fällt deutlich auf, dass eine neue Ära leider nicht in allen Bereichen gleichzusetzen ist mit einem verbesserten Produkt.