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Jim Ross: Die Stimme der WWE tritt ab

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Published on:
12.10.2005, 00:00 
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Ein Heel-Turn seines Chefs Vince McMahon machte Jim Ross zum Head Announcer von Monday Night RAW, ein weiterer beendete seine Kommentatoren-Karriere. Für „Good old J.R.“ schloss sich am vergangenen Montag der Kreis seiner Laufbahn vor den Kameras der WWE.

Laut Storyline ist Ross’ Entlassung die Strafe für die Stunner-Parade seines guten Freundes Steve Austin gegen die McMahon-Familie. In Wahrheit wird Ross in die Online-Abteilung der WWE versetzt, weil Vince McMahon ein jüngeres Gesicht als den 53-Jährigen an der Spitze des Kommentatoren-Trios haben will – wovon er sich auch nicht durch die Absage seines Wunschkandidaten Mike Goldberg abbringen lässt.

Anfänge als Football-Kommentator

Goldberg hätte einen schweren Stand bei den alteingesessenen WWE-Fans – schließlich hatte er nie etwas mit Wrestling zu tun und kommentierte nur Ultimate Fighting und American Football. Allerdings hat auch J.R. nicht immer als Wrestling-Kommentator fungiert. Ursprünglich saß er beim College Football in seinem Heimatstaat Oklahoma am Pult.

J.R.’s Karriere im Wrestling-Geschäft begann zu Beginn der Achtziger Jahre in der UWF des späteren WCW-Chefs Bill Watts. Ross heuerte dort als Interviewer und Ringsprecher an. Als die Liga dann vom WCW-Begründer Jim Crockett geschluckt wurde, arbeitete sich Ross Schritt für Schritt zum Head Announcer der WCW hoch.

Ähnlich verlief seine Karriere bei der WWE, die ihn 1993 einstellte. An die Spitze des Kommentatorenteams von RAW rückte Ross erst im Jahr 1997 auf, als der bisherige Play-by-Play-Kommentator – niemand anders als Vince McMahon selbst – zum Heel turnte und die Rolle deshalb nicht mehr ausüben konnte.

Auch hinter den Kulissen emsig dabei

In den darauf folgenden Jahren wurde Ross mit zur Stimme der Attitude-Ära. Sein ausgeprägter Südstaaten-Akzent stand ihm dabei nicht im Wege, sondern half ihm vielmehr einige unverwechselbare Catchphrases zu prägen – an vorderste Stelle das unübersetzbare „Slobberknocker“ für ein besonders spektakuläres Aufeinandertreffen. Nicht umsonst wurde Ross zehnmal (!) vom Wrestling Observer zum Kommentator des Jahres gewählt.

Das Kommentieren war jedoch nie Ross’ einzige Aufgabe bei der McMahon-Company. Hinter den Kulissen stieg Ross zum Boss der Talent-Relations-Abteilung auf, also zu einer Art Personalchef der Wrestler – ein undankbarer Job, weil man oft der Buhmann ist. Im Jahr 2001 musste er etwa seinem Freund und Kommentatoren-Kollegen Jerry Lawler mitteilen, dass er dessen Ehefrau Stacy Carter entlassen musste – woraufhin Lawler aus Protest selbst die Brocken hinwarf.

Auch wenn seine knorrige Art oft kritisiert wurde: Seit er den Posten 2004 an John Laureniatis abtrat, wird J.R. schmerzlich von seinen Jungs vermisst. Ein drittes Standbein ist Ross’ Talent als Koch: Im Jahr 2000 veröffentlichte die WWE ein von ihm geschriebenes Kochbuch. Zeitgleich kam eine von ihm kreierte Barbecue-Sauce auf den Markt, die landesweit verkauft wurde.

Nervenkrankheit lähmt Ross’ Gesicht

Jim Ross hat in seiner WWE-Karriere jedoch auch schwere Schicksalsschläge einstecken müssen. Im Jahr 1996 erkrankte er an Bells Palsy, einer Nervenlähmung, die J.R.’s Gesichtszüge erstarren ließ. Ende des Jahres 1998 brach die Krankheit wieder aus, ehe kurz darauf auch noch seine Mutter starb. Ross nahm sich eine mehrmonatige Auszeit.

Kurioserweise kehrte er beide Male als Heel zurück: 1996, um die beiden Kopien von Diesel und Razor Ramon in die Promotion zu bringen, drei Jahre später um seinen guten Freund Steve „Dr. Death“ Williams zu managen. Auf Dauer hat Jim Ross jedoch nie als Bösewicht funktioniert: Zu groß ist sein Play-by-Play-Können, als dass die WWE dauerhaft darauf verzichten konnte – und zu groß der Respekt der Fans vor Ross.

Immer wieder der Prügelknabe

Folglich benutzte die WWE J.R. immer wieder als Prügelknabe um ihre Heels over zu bringen: Mankind, der ihm 1996 bei einem Interview die Mandible Claw verpasste, Austin, der ihn nach seinem Heel-Turn 2001 brutal attackierte, Kane, der ihn 2003 in Brand steckte und schließlich mehrmals Triple H: Einen Tag nach dem Summer Slam 1999 drohte dieser damit, J.R. den Arm zu brechen, wenn Mankind ihm kein Match auf dessen WWE Heavyweight Title geben sollte. Die Folge war der erste Titelgewinn des Cerebral Assassin.

Auch sein Abgang am vergangenen Montag diente als Vehikel um einen Heel-Turn – in diesem Fall der McMahon-Familie - zu untermauern. Ob dieser Angle jedoch ein würdiger Abschluss von J.R.’s Kommentatoren-Karriere darstellt, steht auf einem anderen Blatt. Ross jedenfalls ist dem Vernehmen nach nicht sehr glücklich darüber, dass so der Abschluss seiner mehr als zwei Jahrzehnte langen Laufbahn aussah.

Jim Ross’ letzter Satz vor WWE-Kameras lautete, dass Vince McMahon ein dreckiger Bastard sei und dass er samt seiner Familie geradewegs zur Hölle fahren kann. Wie viel von Ross’ wahren Gefühlen in diesen in character geäußerten Worten steckte, weiß allerdings nur er selbst.
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