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The Boogeyman: Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?

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Published on:
28.12.2005, 00:00 
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Er ist über vierzig. Sein In-Ring-Talent liegt knapp über dem einer Leberwurst. Und sein Gimmick wurde von der Internetszene direkt als Totgeburt abgetan. Marty Wright hatte eigentlich die denkbar schlechtesten Voraussetzungen, es im Wrestlinggeschäft zu etwas zu bringen. Und dennoch genießt er nur wenige Wochen nach seinem Debüt bereits Kultstatus – sein Cagematch-Profil ist derzeit das am häufigsten geklickte von allen. Die Geschichte des Boogeyman ist eine Story, wie sie nur in der WWE geschrieben werden kann.

Das Boogeyman-Gimmick mag nicht die zukunftsträchtigste Idee der McMahon-Company sein, aber sicherlich die kreativste in der vergangenen Zeit – wobei sie zum Großteil aus der Feder von Vince McMahons Sohn Shane stammt: Sein Aussehen – eine Mischung aus Papa Shango, dem Star-Wars-Schurken Darth Maul und Flavor Flav von der Rapcombo Public Enemy – und sein noch bizarreres Benehmen: Das Zerschlagen überdimensionaler Uhren an seinem Kopf, das Aufsagen sinnfreier Kinderreime und die Zweckentfremdung von Würmern als Zwischenmahlzeit.

Wie man es seinen Matches deutlich anmerkt, ist Wright ein Quereinsteiger im Wrestlinggeschäft. Ursprünglich strebte er eine Laufbahn als Bodybuilder an. Obwohl ihm sein eindrucksvoller Körperbau einige Siege bei entsprechenden Wettbewerben bescherte, verlief seine Karriere am Ende doch eher schlecht als recht. Also versuchte Wright 2004 sein Glück bei der vierten Staffel von Tough Enough, der Reality Show, in der die WWE nach fähigen Nachwuchswrestlern fahndet.

Vertrauen ist alles

Wright beeindruckte die Trainer mit seiner Physis und seinem Enthusiasmus. Dennoch flog er aus dem Wettbewerb, als sich herausstellte, dass er sich bei der Altersangabe zehn Jahre jünger machte als er war. Vertrauen sei in diesem Geschäft das wichtigste, bläute ihm Tough-Enough-Trainer Al Snow vor laufender Kamera ein – und er habe gezeigt, dass man ihm nicht vertrauen kann.

Ganz so bedeutend schien die Vertrauenssache der WWE dann aber doch nicht zu sein: Nur zwei Monate später legte sie Wright einen Development-Vertrag vor und schickte ihn zu ihrer Farmliga Ohio Valley Wrestling. Wright erfuhr dort schnell, dass das Wrestlerleben kein Kindergeburtstag ist: Bei einem Trainingsunfall schlug er sich mehrere Schneidezähne aus.

Vom Lügner zur Gruselgestalt

Die WWE-Oberen hielten Wright vom Gang zum Dentisten ab – seine Zahnlücke passte nämlich vorzüglich zu dem Charakter, den man ihm auf den Leib schreiben wollte. Nachdem man ihn ursprünglich als „Liar“ Marty Wright auftreten ließ – seine Vorgeschichte also zum Gimmick machen wollte – kam man dann auf die Idee, ihm ein Gruselgimmick nach dem Vorbild der Figur des Boogeyman zu verpassen – eine Art US-Version des „Schwarzen Manns“. Das Monster, das vor allem von Kindern gefürchtet wird, war gerade durch einen gleichnamigen – mäßig erfolgreichen – Horrorfilm in aller Munde.

Der Boogeyman debütierte im Juni 2005, als er in ein Dark Match eingriff und alle Beteiligten zerstörte. In der Woche darauf trat OVW-Headbooker Jim Cornette vor die Zuschauer und erklärte, dass Marty Wright wegen seiner Ablehnung bei Tough Enough den Verstand verloren habe und sich für den Boogeyman halte.

Gottes gemischte Gefühle

Obwohl er insgesamt nur eine Handvoll Auftritte für OVW bestritt, veränderte er die Liga nachhaltig. Indirekt war er nämlich dafür verantwortlich, dass der Headbooker Jim Cornette durch Paul Heyman ersetzt wurde. Cornette versuchte den Boogeyman als Top-Heel zu etablieren und rastete aus, als der OVW-Schüler Johnny Geo Basco dessen Auftreten von der Zuschauerrängen auslachte. Cornette ohrfeigte Basco mehrmals, woraufhin die WWE ihn feuerte.

Die Ironie dieser Geschichte ist, dass die WWE irgendwann selbst einsah, dass der Boogeyman als ernsthafter Bösewicht zum Scheitern verurteilt ist – spätestens nach seinen ersten Auftritten bei WWE Houseshows, als die Promos des Boogeyman beim Publikum nichts als kollektives Stirnrunzeln hervorrief. Denkwürdig war besonders seine Darbietung bei einer Freiluftshow in Maryland, als seine Ansprache nahtlos in einen Gewitterschauer überging. „Selbst Gott hat gemischte Gefühle wegen dem Boogeyman“, kommentierte der Pro Wrestling Torch.

Kurz darauf überdehnte sich Wright beide Knie in einem Match gegen Stevie Richards und musste sein Debüt verschieben – was der WWE damals wohl gerade recht kam. Nachdem sie erkannte, dass es mit dem bösen Boogeyman nichts wird, machte sie das Beste aus der Situation: Sie drehte die Irrwitzschraube des Gimmicks bis zum Anschlag an und machte den Boogeyman zum comedyhaften Publikumsliebling. Mit Erfolg: Das Gimmick kommt bestens an und die Kritiker sind verstummt. Oder hat sie etwa alle der Boogeyman geholt?
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