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The Sandman: Der König der Biere

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Published on:
05.05.2006, 00:00 
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„Exit Light! Enter Night!“ Wenn diese vier Worte aus den Boxen einer Wrestlinghalle dröhnen, kann das nur eins bedeuten: Gleich wird ein Mann durch den Vorhang kommen, der raucht, säuft, flucht und eine blutige Prügelei anfangen wird – und die Fans werden es lieben. Es ist der Auftritt von James Fullington, besser bekannt als der Sandman – der Mann, der schon Bier im Ring trank, als Stone Cold Steve Austin noch Haare hatte und in der WCW für Hacksaw Jim Duggan jobbte. Nun gibt es für ECW-Fans ein Wiedersehen mit der Hardcore-Ikone: Der Sandman ist nach Sabu die zweite ECW-Legende, die von der WWE für das Revival der extremen Promotion verpflichtet hat

In die ECW kam der Sandman – damals noch Mr. Sandman – Anfang der Neunziger, als die Liga noch Eastern Championship Wrestling hieß und weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit veranstaltete. Dem Sandman gelang es schon im November 1992, erstmals den Heavyweight Title der jungen Promotion zu gewinnen, als er mit Hilfe seines Partners Tommy Cairo den WWF-Altstar Don Muraco besiegen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war der Sandman – man glaubt es kaum – mit einem Surfer-Gimmick unterwegs.

Aus Staatsaffäre entsteht ein Markenzeichen

Der Sandman, wie wir ihn kennen, wurde erst zwei Jahre später geboren, als er sich vor der Kamera von seiner Managerin und Ehefrau Peaches (Lori Fullington) entfremdete und gegen sie turnte, weil er ihr eine Affäre mit Cairo unterstellte. Der Beach Boy wandelte sich zu einem verlotterten Slacker, der in schlampigen T-Shirts und Baggy Pants antrat und im Ring rauchte und Dosenbier kippte – teilweise sogar noch während seiner Matches.

Ein anderes Markenzeichen des Sandman entstand in Folge der damals aktuellen Affäre um den amerikanischen Schüler Michael P. Fay. Der damals 19-Jährige besprühte in Singapur mehrere Autos wohlhabender Leute mit Graffiti und wurde dafür gemäß den landestypischen Sitten zu sechs Stockschlägen verurteilt – ein Fall, der in den USA zum Politikum wurde, in das sich sogar Präsident Clinton einmischte. Die Affäre inspirierte die Macher der Simpsons zu der legendären Folge „Bart gegen Australien“ und eben auch die ECW-Booker.

In Anlehnung an den Vorfall bestritt der Sandman zusammen mit seiner neuen Managerin Woman ein Mixed Tag Team Match gegen Cairo und Peaches. Die Sonderklausel lautete, dass der Verlierer mit Stockhieben bestraft wird. Sandman und Woman verloren das Match zwar, doch trotzdem war es am Ende er, der seinen Kontrahenten mit einem Kendostab blutig schlug. Das „Singapore Cane“ wurde daraufhin zu Sandmans Markenzeichen.

“Hardcore Hak“ floppt in der WCW

Das Schlaginstrument wurde ebenso Kult wie sein Einmarsch zu Metallicas „Enter Sandman“ und seine Angewohnheit sich vor den Matches eine Bierdose an der Stirn zu zerdrücken – was nicht selten dazu führte, dass er schon vor Kampfbeginn blutete. Der Sandman lieferte sich in den folgenden Jahren blutige und intensive Auseinandersetzungen gegen Kollegen wie Tommy Dreamer und Mikey Whipwreck. Am denkwürdigsten jedoch war einerseits seine Fehde mit Raven, in die sowohl Ehefrau Lori als auch der gemeinsame Sohn Tyler verwickelt wurden. Kontroverser Höhepunkt der Feindschaft war eine Kreuzigung des Sandmans, die unterem dazu führte, dass der erste ECW-Auftritt eines gewissen Kurt Angle auch sein letzter blieb. Legendär sind außerdem Sandmans ultra-brutale Matches gegen Sabu, die beinahe beider Männer Karriere beendet hätten.

Nachdem er in der ECW noch vier World Title gewann suchte der Sandman nach neuen Herausforderungen und heuerte bei der WCW an. Doch (Hardcore) Hak – so lautete sein Gimmickname in Atlanta – passte in die Turner-Liga in etwa so sehr wie Marilyn Manson auf einen Kirchentag. Bier und Zigaretten waren in der familienfreundlichen Promotion tabu, sein Stacheldraht wurde mit Gummi entschärft und überhaupt hielt sich die WCW ihre Hardcore-Division letztlich nur deshalb, weil es gerade im Trend war. Hak bekam unspektakuläre Fehden gegen seine ECW-Kollegen Raven und Bam Bam Bigelow und war nicht einmal einem Jahr schon wieder weg vom Fenster, als er sich in einem Match an der Schulter verletzte und kurz darauf entlassen wurde.

Sein Comeback in Philadelphia wurde von den ECW-Fans - bei dem er Tommy Dreamer vor Rhino und den Impact Players rettete – wurde umso frenetischer bejubelt. Nachdem die Liga 2001 ihre Pforten schloss, verdingte sich der Sandman eine Zeit lang bei der ECW-Ripoff-Liga XPW des Pornoproduzenten Rob Black und wurde Head Booker der MECW. Die Liga hatte den hochfliegenden Plan, zur Nummer zwei hinter der WWE aufzusteigen. Stattdessen stellte sie nach nur einer Veranstaltung den Betrieb ein. Es folgte ein Intermezzo bei NWA TNA, im Hauptberuf jedoch führt er eine Bar in New Jersey.

Ein gelebtes Gimmick

„Paul (Heyman) hat einfach gesagt: Geh da raus und sei du selbst!“ fasste Fullington einmal die Entstehungsgeschichte seines Charakters zusammen. Der Sandman ist nicht nur sein Gimmick. Es ist sein Lebensstil, wie sich anhand diverser privater Eskapaden nachzeichnen lässt. Er gibt offen zu, zahlreiche seiner Matches im betrunkenen Zustand bestritten zu haben. Einmal versteigerte er im Internet die Gelegenheit, mit ihm einen Saufabend in seiner Lieblingsbar zu verbringen, „bis einer umfällt“. Er verdiente sich damit 700 Dollar.

Weniger drollig gestalteten sich Sandmans diverse Konflikte mit dem Gesetz. Im Jahr 2000 wurde der Sandman in Florida verhaftet, weil er im Vollrausch seine privaten Körperteile zur Schau stellte. Und im Jahr 2004 verbrachte er wegen Trunkenheit am Steuer mehrere Monate im Gefängnis – in seinem Blut war dreimal soviel Alkohol wie es erlaubt gewesen wäre. Der zuständige Richter attestierte ihm „ein vollständige Missachtung des Rechtssystems“. Seine Haftstrafe verlängerte sich noch dadurch, dass er mehrere Drogentests nicht bestand.

42 Jahre ist der Sandman mittlerweile alt. Doch ans Aufhören denkt er noch lange nicht: „Ich werde hoffentlich so lange im Ring stehen, bis ich sterbe“, erklärte er einmal: „Ich wäre froh, wenn ich bei meinem letzten Match 65 bin und dann den ultimativen Job mache – so soll es sein.“ Und bei seiner Beerdigung wird wahrscheinlich auch „Enter Sandman“ gespielt.
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