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Kane: Das freundliche Monster erobert die Leinwand

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Published on:
16.05.2006, 00:00 
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Er war ein Bombenleger. Er war eine Weihnachtskreatur. Er war ein sadistischer Zahnarzt mit fauligen Zähnen. Er war ein müder Abklatsch von Kevin Nash. Was schlechte Gimmicks angeht, hat Glen Jacobs alles mitgemacht. Und eigentlich wurde es auch nicht besser, als aus Glen Jacobs Kane, der böse Bruder des Undertakers wurde. Man hat manchmal den Eindruck, als wäre Kane eine wandelnde Deponie für Storyline-Schrott. Doch Kane hatte genug Talent, sich trotzdem zu einem nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil des WWE-Rosters zu mausern. Und nun wird die Big Red Machine auch noch zum Kinostar.

Am Freitag läuft „See No Evil“ in den amerikanischen Lichtspielhäusern an: Kane spielt Jacob Goodnight, einen psychopathischen Serienkiller, der in einem maroden Hotel in bester Horror-Tradition eine Gruppe von Teenagern metzelt. Keine große Umstellung für Kane, der in der WWE Spezialist für Untaten aller Art ist: Er steckte Jim Ross in Brand, begrub den Undertaker lebendig, nötigte Lita zu Sex und Zwangsheirat und schloss die edelsten Teile von Shane McMahon an einen Stromkasten an. „So etwas tun zu können, ohne dafür Ärger zu bekommen, macht Spaß“, bekannte Kane einmal.

Vom Grundschullehrer zum bösen Zahnarzt

Der Privatperson Glen Jacobs liegen solche Bösartigkeiten absolut fern: Gesprächspartner beschreiben ihn als wohlerzogen, intelligent und von entwaffnender Freundlichkeit. Jacobs hat einen Universitätsabschluss in Englisch auf Lehramt und arbeitete auch eine Weile als Vertretungslehrer für Grundschulklassen. Der 2,08-Meter-Mann war außerdem ein NCAA-All-Star im Basketball und überrascht Reporter noch heute mit messerscharfen Analysen zum aktuellen NBA-Geschehen.

Anfang der Neunziger tauschte Jacobs das Tweed-Jackett gegen die Ringmontur ein. Einen Großteil seiner frühen Karriere verbrachte er in Jerry Lawlers USWA und es war auch der King, an dessen Seite Jacobs 1993 sein WWF-Debüt bestreiten sollte: Als einer von seinen maskierten Rittern beim Survivor-Series-Match gegen die Hart-Familie – wobei Lawler in letzter Sekunde gegen Shawn Michaels ausgetauscht wurde. Es gibt jedoch auch Quellen, denen zufolge nicht Jacobs, sondern sein USWA-Kollege Jeff Gaylord der Black Knight war.

Sicher dagegen ist, dass Jacobs zwei Jahre später eine dauerhafte Rolle im WWF-Programm erhielt – als Isaac Yankem DDS, ein böser Zahnarzt, den Lawler auf seinen Erzrivalen Bret Hart losließ. Yankems Leistung im Match gegen Hart beim Summer Slam 1995 ließ bereits erahnen, dass er besseres verdient hatte als ein antiquiertes Berufsgimmick. Doch es sollte noch schlimmer für ihn kommen: Als 1996 Kevin Nash und Scott Hall in Richtung WCW abwanderten, entschloss sich die WWF, die Gimmicks der beiden neu zu vergeben – ein armseliger Versuch, aus ihren Trademarks noch Kapital zu schlagen. Jacobs wurde zum Fake Diesel, bis auch dieses verhunzte Gimmick nach wenigen Monaten lautlos beerdigt wurde.

Überraschende Langlebigkeit

Die große Stunde von Glen Jacobs sollte erst schlagen, als die WWF ein Jahr später einen neuen Gegner für eins seiner großen Idole suchte – den Undertaker. Aus Jacobs wurde Kane, der psychopathische Bruder des Totengräbers. Laut Storyline hatte der Taker als Kind aus Versehen das Bestattungsunternehmen seiner Eltern in Brand gesteckt. Bei dem Unfall sollen seine Eltern und eben auch Kane ums Leben gekommen sein. Doch der kleine Bruder hatte überlebt und wurde von Paul Bearer, dem Manager und Ersatzvater des Takers in einer Nervenheilanstalt untergebracht. Als Bearer zum Feind seines Ex-Schützlings wurde, zog er Kane als letzten Trumpf aus dem Ärmel.

Das Monster mit dem biblischen Namen und der schwarz-roten Maske – die seine angeblichen Verbrennungen verbergen sollte – lieferte sich eine lange und denkwürdige Fehde mit dem Deadman, die einem Inferno Match bei Unforgiven 1998 gipfelte. Nicht wenige mutmaßten, dass der Kane-Charakters damit seinen Zweck erfüllt hatte, doch das Gimmick entpuppte sich als langlebiger, als selbst die kühnsten Optimisten erwartet hätten.

Die meisten Fans betrachten es jedoch als Fleck auf Kanes Biographie, dass er es nie bis ganz an die Spitze der WWE schaffte. Nur einmal holte sich Kane den wichtigsten Gürtel der Promotion. Beim King of the Ring 1998 bezwang er den damaligen WWF World Heavyweight Champion Stone Cold Steve Austin in einem von Vince McMahon angesetzten First Blood Match – was aber auch nicht weiter schwierig war, da Kane damals noch einen Ganzkörperanzug trug. Einen Tag später holte sich die Texas Rattlesnake ihr Gold zurück.

Geschmacklosigkeiten und haarsträubende Logiklöcher

Die beste Gelegenheit, Kane den finalen Push zu geben, verpasste die WWE vier Jahre später, als er seine Maske in einem Match gegen Triple H aufs Spiel setzte und verlor. Die Dynamik der damit verbundenen Charakterauffrischung verpuffte jedoch, als man dem Monster kurz darauf ausgerechnet Shane McMahon als Fehdengegner vorsetzte.

Es war nicht die erste und letzte Fehlentscheidung des Kreativteams, die Kane erleiden musste. Die Gimmick-Entwicklung der Big Red Machine ist geprägt von Ungereimtheiten und haarsträubenden Logiklöchern: Bei seinem Heelturn 1998 gestand der Undertaker, dass er Kane seinerzeit absichtlich in Brand gesteckt hatte, weil er ihn für zu schwach hielt – nicht allzu viel später waren die beiden wieder Tag Team Partner und beste Kumpels. 2002 behauptete Triple H im vielleicht geschmacklosesten Wrestling-Angle aller Zeiten, dass Kane als Teenager seine Freundin Katie Vick zu Tode gefahren und ihre Leiche geschändet hätte – zu einer Zeit in der Kane laut Storyline eigentlich im Irrenhaus gesessen haben muss. Im Jahr 2004 gab es dann die kaum weniger berüchtigte Story um die sexuelle Nötigung und ungewollte Schwangerschaft von Lita – die durch das kurz darauf folgende Comeback von Litas realem Ex-Lover Matt Hardy so nichtig wurde wie die Dallas-Staffel mit dem Tod von Bobby Ewing.

Pünktlich um Starttermin von „See No Evil“ gibt es nun eine neue Trash-Storyline: Es geht um den 19. Mai, der Tag, an dem einst enthüllt wurde, dass Paul Bearer Kanes Vater ist. Es geht um Stimmen, die in Kanes Kopf schwirren sollen, aber für alle Fans hörbar sind. Und es geht aller Wahrscheinlichkeit wieder nicht ums Thema Logik. Aber Kane wird auch das überstehen – und das spricht für ihn.
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