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Roddy Piper: Alternder Rebell mit Motormaul

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Published on:
06.11.2006, 00:00 
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Okay ja, es ist unrealistisch, dass ein Zweiergespann, das zusammengerechnet über hundert Jahren alt ist, zwei durchtrainierte Athleten Anfang zwanzig fair besiegen. Verdammt unrealistisch sogar. Aber andererseits ging einem als langjähriger Fan dann doch das Herz auf, als Rowdy Roddy Piper und Ric Flair am Sonntag der Spirit Squad die Tag Team Title abnahmen - gerade wegen Piper, der sich im zarten Alter von 52 Jahren das erste Mal den World Tag Team Title der McMahon-Company gewinnen und 14 Jahre nach dem Verlust seines bis dato einzigen WWE-Golds noch einmal einen Titel um die nicht mehr ganz so schlanken Hüften schnallen darf.

Dass der heißblütige Schotte Piper - der eigentlich aus Kanada stammt - den Titel ausgerechnet gemeinsam mit Flair holt, ist eine ziemlich ironische Note der Wrestlinggeschichte. Privat sind die beiden Legenden zwar beste Freunde - so verschaffte Flair dem Hall-of-Fame-Mitglied Bookings in der Karibik, als er Anfang der Achtziger zeitweise aus der NWA flog - im Ring jedoch waren sie über zwei Jahrzehnte hinweg Erzfeinde.

Noch berühmter war nur Pipers ewige Rivalität mit Hulk Hogan. „Hot Rod“, der nach eigener Aussage der Grund war, warum Hogan seine Haare verlor, war der Gegenspieler des Hulksters, als Vince McMahon Mitte der Achtziger den nationalen Markt eroberte. Piper stand Hogan 1985 in dem MTV-Special „The War To Settle The Score“ gegenüber, das eine Traumquote von 9,1 einfuhr und in das auch die Stars Cindy Lauper und Mr. T verwickelt wurden. Und Piper traf auch im Hauptkampf der allerersten Wrestlemania auf Hogan, als sich dieser mit Mr. T zusammentat, um Piper und Paul Orndorff niederzuringen. „Meinst du, die Fans hätten dich auch so geliebt, wenn sie mich nicht so gehasst hätten?“, war die viel diskutierte Frage, die Piper Hogan stellte, als ihre Fehde in der WCW wieder aufgewärmt wurde.

Vom Vater verstoßen…

Dass Vince McMahon sich für Piper entschied, als er in dieser wichtigen Phase einen Widerpart für sein Aushängeschild Hogan benötigte, hatte einen einfachen Grund: Niemand verstand es so gut wie Piper, die Fans gegen sich aufzubringen, indem er sie und ihre Lieblinge in Grund und Boden redete. Mehr als einmal mussten Shows abgebrochen werden, weil Piper die Fans so provozierte, dass sie zu randalieren begannen. In Mexiko etwa verursachte er einmal einen Aufruhr, als er vor das Publikum trat und erklärte, nach mehrwöchigem Üben die Nationalhymne mit seinem Dudelsack vortragen zu wollen - stattdessen spielte er „La Cucaracha“.

Doch auch außerhalb der Wrestlingwelt war Piper ein Spezialist darin, sich Ärger einzuhandeln. Als Kind war er ein typischer Vertreter der Gattung „Rebel without a Cause“. Mit 12 Jahren wurde er von seinem Vater - einem Polizisten - verstoßen, nachdem er von der Schule flog, weil er ein Springmesser dabei hatte. Drei Jahre lange vagabundierte Piper durchs Land, übernachtete in Jugendherbergen und schlug sich als Kleinkrimineller durch, der stahl und mit Drogen dealte. Nebenbei verdiente er auch etwas Geld mit seinem Dudelsackspiel, das er schon in frühester Kindheit gelernt hatte - ganz so weit hergeholt ist sein Schotten-Gimmick also nicht.

In das Wrestlinggeschäft stieß Piper mit 15 Jahren, als er in Winnipeg auf der Straße angesprochen wurde und ihm 25 Dollar für ein Match geboten wurden. Piper - der im Jugendbereich ein recht erfolgreicher Amateurringer und -boxer war, gefiel die Idee. Sein erstes Match bestritt er gegen den fast doppelt so schweren Larry „The Ax“ Hennig - den Vater von Mr. Perfect - und verlor binnen zehn Sekunden.

… von den Fans gefeiert

Piper ließ sich davon jedoch nicht abhalten, den für die damalige Zeit üblichen Marsch durch die Territorien anzutreten. Erste Erfolge feierte er in Los Angeles - wo er sich von den ansässigen Schauspielern viel von seinen rhetorischen Fähigkeiten abschaute - ehe er im pazifischen Nordwesten seinen endgültigen Durchbruch als verhasstes Großmaul feierte. Aus seiner Zeit bei den Crockett-Promotions blieb neben der Flair-Fehde vor allem die blutigen Auseinandersetzungen mit Greg „The Hammer“ Valentine um den NWA US Title in Erinnerung, die in einem Dog Collar Match bei Starrcade 1983 gipfelten. Eines der Matches endete damit, dass Valentine Piper unaufhörlich mit dem Gürtel gegen die linke Kopfseite schlug, bis der Ringrichter den Kampf abbrach. Piper zog sich dabei bleibende Schäden zu: Er verlor 75 Prozent des Hörvermögens auf seinem linken Ohr.

Seine Ärzte prophezeiten Piper, dass seine Karriere vorbei wäre, stattdessen ging sie erst so richtig los - schließlich war ja seine Zunge noch intakt. Piper wechselte zur WWF und hatte das Glück, dass sich Vince McMahon für seine Idee begeistern konnte, ihn ein regelmäßiges Interviewsegment moderieren zu lassen. Piper’s Pit - das damals stets komplett improvisiert und ohne Skript über die Bühne gebracht wurde - etablierte Piper beim Publikum, leitete unzählige Fehden ein und sorgte für zahlreiche unvergessliche Momente. An vorderster Stelle stand hier die Show mit Jimmy Snuka, in der Piper den Superstar von den Fidschi-Inseln mit einer Kokosnuss niederstreckte.

Nach den Fehden gegen Snuka und Hogan, zollte McMahon den immer lauter werdenden Jubelrufen für Piper Tribut und machte ihn durch eine Fehde mit Adrian Adonis und Pipers ehemals treuem Adlatus Bob Orton zum Publikumsliebling. Diese Entwicklung war ein zweischneidiges Schwert für Piper: Einerseits hatte er natürlich seinen Spaß daran, andererseits war Pipers Platz an der Spitze dahin, da es an Hogan kein Vorbeikommen gab.

Arsch treten und Kaugummi kauen

Dieser Umstand war einer der Gründe, warum Piper bald darauf seine Stiefel an den Nagel hängte und seine Redetalent woanders auslebte: In Hollywood. Pipers Filmographie umfasst mittlerweile rund dreißig Werke, die aber fast alle ein unauffälliges Dasein in den Videotheken dieser Erde fristen. Die große Ausnahme ist der Sci-Fi-Kult „Sie Leben!“ von Horrorpapst John Carpenter, in der Piper einen aufrechten Arbeiter spielt, der herausfindet, dass die amerikanische Konsumgesellschaft in Wahrheit eine außerirdische Verschwörung ist. Das berühmteste Zitat aus dem Film ist ein echter, improvisierter Piper: "I have come here to chew bubblegum and kick ass ...and I'm all out of bubblegum."

So ganz scheint die Schauspielkarriere Piper aber nicht auszufüllen: Immer wieder ließ er sich von McMahon zu teils längeren, teils kürzeren Comebacks überreden - und das obwohl sein persönliches Verhältnis zu Vince gar nicht so gut ist. Bei der Promotion-Tour für sein 2003 erschienenes Buch „In the Pit with Piper“ beschimpfte er McMahon als Schleimbeutel und als Diktator, der seinen Leuten das Blut aussauge und für den er sich nicht mehr prostituieren würde, wenn sich nicht so einiges ändern würde. Wenige Wochen später arbeitete er wieder für ihn um noch ein letztes Mal mit Hogan zu fehden.

Wrestlerisch war das - wie auch seine WCW-Karriere Ende der Neunziger, die er bereits mit einer künstlichen Hüfte bestritt - vollständig zum Vergessen. Aber Piper war nie ein großartiger Wrestler im engeren Sinne. Das einzige Piper-Match, das der Nachwelt wegen seiner technischen Qualität in Erinnerung blieb, war der Kampf gegen Bret Hart bei Wrestlemania VIII, bei dem er den Intercontinental Title an seinen Landsmann abgeben musste - die erste Pinfallniederlage, die Piper vor einer WWF-Kamera einsteckte.

Was Piper ausmacht, ist sein Motormaul, von dem es heißt, dass es Vince McMahon einmal zum Erbrechen brachte, als er am Kommentatorentisch versuchte mit Pipers Redetempo Schritt zu halten. Seine Fähigkeiten am Mikro machen Piper unsterblich und für viele Fans zum größten Wrestler, der nie einen World Title hielt. Dass er das noch nachholt, darf dann aber doch bezweifelt werden.