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Hardbody Harrison: Der Sündenfall eines WCW-Jobbers

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Published on:
27.11.2007, 00:00 
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Ein beeindruckender Body, schrille Outfits, ein Backstage-Fight mit Alex Wright und eine Rassismus-Klage. Das sind die Dinge, die von dem ehemaligen WCW-Wrestler Hardbody Harrisons in Erinnerung blieben. Harrisons Wrestlingkarriere war gescheitert. Einer von vielen aus der Kategorie „Ach ja, der“. Entglitten in die Vergessenheit. In den vergangenen Wochen aber sorgte kaum ein anderer Wrestler für mehr Schlagzeilen als der 41-Jährige - aber aus Gründen, die weder ihm, noch irgendjemand anderem lieb sein können. Harrison Norris - so sein richtiger Name - droht lebenslange Haft. Er wurde von einem Gericht in Atlanta schuldig befunden, unter dem Deckmantel einer Wrestlingschule einen Zwangsprostitutionsring operiert zu haben.

Acht Frauen fielen Harrison zum Opfer. Sozial Gestrandete, Obdachlose, Drogensüchtige, Vorbestrafte. Einige las er von der Straße auf, andere holte er per Kaution aus dem Gefängnis. Er köderte sie mit dem Versprechen ihnen ein besseres Leben im Wrestlinggeschäft zu verschaffen. Doch die so genannte Southstar Championship Wrestling Alliance entpuppte sich als Fassade. Die Frauen wrestleten zwar auf ein paar Backyard-Shows vor Harrisons Freunden und Nachbarn. Was die Frauen aber in erster Linie für ihn machen mussten, erinnert an moderne Sklaverei: Durch eine Mischung aus psychischem, physischen und finanziellen Druck brachte Harrison sie dazu seine Hausarbeit zu erledigen, mit ihm zu schlafen - und für ihn anschaffen zu gehen.

Beliebt beim Coach, nicht bei den Kreativen

‚Was ist das für ein Mensch?’ ist die Frage, die sich Boulevardmedien bei derartigen Fällen stellen. Harrisons Vorgeschichte gibt ein wenig Aufschluss. Nachdem Harrison die High School abschloss, diente er zehn Jahre lang in der US-Armee und kämpfte dabei auch im ersten Golfkrieg. Nach seiner Entlassung Mitte der Neunziger versuchte er vergeblich als Footballer und bestritt auch einige Shootfights. Auf der Suche nach einer Beschäftigung stieß er schließlich auf eine Werbeanzeige des Power Plants, der Nachwuchsschmiede der WCW.

Im Vergleich zu seiner Militärlaufbahn musste sich Harrison kaum umstellen. „Sarge“ Dwayne Bruce führte das Trainingscenter im Stil eines Boot Camps - mit dem Hauptfokus darauf, seine Rekruten an ihre körperlichen Grenzen zu bringen. Harrison gehörte zu den 15 Prozent der Schüler, die den Drill durchstanden ohne das Handtuch zu werfen. Er erarbeitete sich so den Respekt seines Lehrmeisters, durfte zeitweise sogar selbst Trainingseinheiten leiten.

Bei den Kreativen der WCW hatte Harrison jedoch nie eine Lobby. Er bestritt in drei Jahren kaum mehr als zehn TV-Matches. Er bekam nie eine Storyline und blieb der Jobber in den farbenprächtigen Kostümen - die ironischerweise schon damals viel von einem Zuhälter hatten. Die einzige Schlagzeile, die er in seiner WCW-Karriere schrieb, war der eingangs erwähnte Backstage-Fight mit Alex Wright. Die beiden hatten eine Meinungsverschiedenheit, wer in einem unbedeutenden Match den Heel spielen sollte. Nachdem Alex einen Agent einschaltete, um die Sache zu klären, wurde Harrison laut einem Bericht des Wrestling Observer cholerisch und fuchtelte mit einem Trainingsgerät vor Alex herum. Alex bekam es demnach mit der Angst zu tun, dass Harrison damit zuschlagen würde und verpasste ihm eine. Harrison bekam aber die Schuld an der Eskalation.

Der „General“ und seine Diktatur

Die Schuld an seiner gescheiterten Karriere suchte Harrison nicht bei sich selbst, sondern bei seinem Arbeitgeber. Gemeinsam mit dem asiatischen Manager Sonny Onoo und einigen schwarzen Kollegen reichte er 2000 eine Rassismusklage gegen die WCW ein. Er warf der Liga vor ihn wegen seiner Hautfarbe diskriminiert, in eine stereotype Rolle gedrängt und unten gehalten zu haben. Der Prozess wurde schließlich außergerichtlich geklärt, was Harrison einen warmen Geldregen bescherte. Von der Entschädigungssumme konnte er mehrere Jahre leben ohne zu arbeiten und sich sogar zwei Häuser in Georgia anschaffen - eines für Frau und Kinder, das andere für seine „Schülerinnen“.

Harrison zog sein neues „Geschäft“ ganz genauso auf, wie er es in der Armee und im Power Plant gelernt hatte: Er baute in seinem Haus eine kleine Militärdiktatur auf. Er ließ sich „General“ nennen und verlangte von seinen „Soldatinnen“ Gehorsam und Korpsgeist. Er teilte sie in Gruppen ein und piercete sogar ihre Haut entsprechend ihres Ranges. Harrison gab den Frauen Essen und ein Dach über dem Kopf, im Gegenzug mussten sie sich seinem Regiment unterwerfen. Dazu gehörten eine strenge Diät, ein knochenharter Trainingsplan, die Erledigung von Haus- und Gartenarbeit und ein durchorganisierter Alltag - so durfte etwa keine der Frauen je allein sein.

Um die Frauen dazu zu bringen, sich zu prostituieren - in Nachtclubs, auf Sexpartys oder einfach zu seinem Privatvergnügen - wusste Harrison alle Register zu ziehen. Dadurch, dass er die Frauen in finanzieller Abhängigkeit von ihm hielt, konnte er ihnen Schuldgefühle einreden, wenn sie nicht taten, was er wollte. Andere packte er damit, indem er drohte, die ganze Gruppe zu bestrafen, wenn man sich ihm nicht fügte. Als letztes Mittel drohte er mit körperlicher Gewalt. Zu einer der Frauen meinte er, dass er ihren Kopf durch die Wand schmettern würde, sollte sie seinen Anweisungen nicht folgen.

Rassistische Verschwörung?

Aber auch so konnte er sich lange darauf verlassen, dass der Laden hielt: Viele der Frauen, die er ausgesucht hatte, hatten das Vertrauen in das Gesetz verloren und fürchteten, dass es für sie nur schlimmer kommen könnte, wenn sie sich von Harrison lossagten und mit Außenstehenden reden würden. Schließlich aber wagte doch eine der Frauen den Absprung. Mit einer Rasierklinge schnitt sie ein Loch ins Badezimmerfenster und sprang heraus, um sich dem nächsten Polizeirevier anzuvertrauen. Harrison wurde im Sommer 2005 verhaftet, sein kleines Reich ausgehoben.

Was trieb Harrison zu solchen Taten? Seine eigenen Aussagen gaben darüber keinen Aufschluss. Harrison, der sich im Prozess selbst verteidigte, stellte sich als verfolgte Unschuld dar, Opfer einer rassistischen Verschwörung. Die Frauen hätten sich freiwillig in seine Obhut begeben. Und dass die Strafverfolger das anders sahen läge nur daran, dass er schwarz und seine angeblichen Opfer weiße Frauen seien.

Hört man sich diese Ausflüchte an, erscheinen auch die Vorwürfe, die er seinerzeit an die WCW richtete, in einem anderen Licht. Besonders ein Zitat aus der damaligen Zeit verstört: „Ich habe gesehen, wie all diese weißen Typen eingestellt wurden und an mir vorüber gezogen sind. Ich bin in der Masse untergegangen, es war, als wäre ich in die Sklaverei verkauft worden.“