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Mick Foley: Eine Legende spielt mit ihrem Vermächtnis

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Published on:
20.04.2009, 18:24 
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Es ist die Geschichte einer populären Wrestling-Legende, deren Karriere eigentlich schon im Jahr 2000 zuende war und die in ihrer alten Heimat zur Randnotiz verkommen war. Ein neuer Arbeitgeber rückt sie zurück ins Rampenlicht, sie lässt die Einschaltquoten in die Höhe schießen und schafft nun das, womit praktisch niemand mehr gerechnet hätte: Sie holt sich nach einem Jahrzehnt noch einmal einen World Title. Die Geschichte des unverhofften Wiederaufstiegs von Mick Foley bei TNA Wrestling hat alle Elemente dessen, was man in Amerika eine "Feelgood Story" nennt. Und doch fühlt sich längst nicht jeder dabei gut.

Das erste Echo auf den Titelgewinn von Foley gegen Sting bei Lockdown ist überaus geteilt: Ein Leser des Pro Wrestling Torch fühlte sich beim Match zwischen Foley und Sting an das berüchtigte Altherrengekloppe von Hulk Hogan und Roddy Piper in der WCW erinnert. Und auf dem Wrestlecrap-Forum wird die legendärste Fehleinschätzung der Wrestlinggeschichte zitiert, das sarkastische "That'll put asses in the seats." von WCW-Kommentator Tony Schiavone - nur dass der Spott jetzt wirklich Richtung Foley zielt. Solche Verhöhnungen waren vor einigen Jahren noch undenkbar, gerade aus dem "smarten" Fanlager, für das Foley früher nicht weniger als "God" war.

Der märchenhafteste aller märchenhaften Aufstiege

Der Aufstieg von Mick Foley zum Massenphänomen vor zehn Jahren war von allen märchenhaften Erfolgsgeschichten des Wrestling vielleicht die märchenhafteste - einfach weil es die wohl unmöglichste ihrer Art war. Schließlich war Foley so ziemlich das exakte Gegenteil von dem, was man sich typischerweise unter einem WWE-Superstar vorstellt. Ein übergewichtiger, bärtiger, schlecht gekleideter Zausel, optisch entstellt durch Zahnlücken aus einem Autounfall, die Stacheldraht-Narben aus seinen Hardcore-Jahren in Japan und ein Ohr, dass er 1994 bei einem WCW-Match in München gegen Vader verlor, als es sich in den zu fest gespannten Seilen verfing. Zu allem Überfluss war dieser Antistar im Ring technisch auch nicht besonders veranlagt - Ric Flairs (nur von den puristischsten Puristen geteilte) Vorwurf vom "glorifizierten Stuntman" ist zum Allgemeingut geworden.

Die Gründe, warum es Foley trotzdem in die WWE schaffte, sind allgemein bekannt. Seine extraordinäre rhetorische Begabung - seine Anti-Hardcore-Promos aus der ECW gelten vielen bis heute als die besten Wortbeiträge der Wrestlinggeschichte -, sein vollendeter Sinn für die Psychologie des Wrestling und sein Wille im Ring mehr zu geben, als rein vernünftig betrachtet gut für ihn sein konnte.

Seine Fans kannten die Tendenzen, bei denen die Umschreibung halsbrecherisch noch beschönigend ist, schon vor den WWF-Zeiten - etwa von seinem Martyrium beim IWA Death Match Tournament in Japan 1995. Das große Publikum lernte sie beim King Of The Ring 1998 kennen. Beim Hell In A Cell Match gegen den Undertaker ließ sich Mankind zunächst vom Käfigdach durch das spanische Kommentatorenpult fallen - und dann fiel er bei einem zweiten, noch gefährlicherem Bump noch durch das Dachgitter auf den Ringboden. Dieser Sturz war offiziell ein Unfall, es hält sich jedoch das Gerücht, dass das eine von der Liga gedeckte Schutzbehauptung Foleys ist, da ihn seine vor Sorge aufgelöste Ehefrau sonst verlassen hätte.

Ein unglaublicher Karriere-Endspurt

Was viele Fans gar nicht mehr wissen: Es war nicht diese unvergessene Performance, die Foley zum Superstar erhob. Im Sommer desselben Jahres dachte Foley sogar noch an einen Rücktritt, weil er schon die Hoffnung aufgegeben hatte, in den Main Event vorzustoßen und seinem Körper das Geschäft daher nicht mehr antun wollte. Dass er seine Meinung änderte, entpuppte sich als Glücksfall. Denn als Foley seinen Mankind-Charakter kurz darauf gegen den Rat vieler vom gequälten Psychopathen zum lustigen, mit einer Socke redenden Sympathen umdeutete, schoss seine Popularität in ungeahnte Höhen. Zum Ende des Jahres 1999 hätte ihn seine Fangemeinde sogar fast zum prestigeträchtigen "Man-of-the-Year"-Award des Time Magazine verholfen, ehe die Zeitschrift ihn aus dem Online-Voting nahm, das er haushoch angeführt hatte.

Foley konnte es verkraften: Er holte sich im Jahr 1999 dreimal den WWF World Title, stahl mit seiner Fehde gegen The Rock dessen WrestleMania-Showdown mit Ligazugpferd Stone Cold Steve Austin die Show und bescherte Monday Night RAW mit dem "This-is-your-Life"-Segment für The Rock die höchste Quote, das ein Segment in der Show je hatte. Die Erfolgsgeschichte ragte über das Wrestling hinaus: 1999 brachte er auch seine Autobiografie „Have a nice Day“ heraus, die bis heute als bestes Wrestlingbuch aller Zeiten gilt und es auf Platz eins in der Bestseller-Liste der New York Times schaffte. Der Erfolg ebnete Foley den Weg für eine Zweitkarriere als Autor, zwei weitere Wrestlingbücher und fünf Romane folgten. Im Jahr darauf legte er noch die berühmte Fehde mit Triple H drauf, die seinen siegreichen Gegner zum Superstar machte. Es war ein unglaublicher Karriere-Endspurt, ehe sich Foley dann doch mit Rücksicht auf sein körperliches Wohlbefinden aus dem aktiven Geschehen zurückzog.

Rapide sinkende Aktien

Foley hatte sich ein beeindruckendes Vermächtnis geschaffen, doch mit den Jahren wuchs die Kritik an seinem Umgang damit. Seine erste Rückkehr mit der Fehde gegen Randy Orton 2003/04 schlug noch ein wie eine Bombe, da er körperliche Defizite wie gehabt durch rhetorische Brillanz und Intensität innerhalb wie außerhalb des Rings wettmachte. Die Qualität weiterer Comebacks schwankte - wobei der größte Kritikpunkt war, dass es unabhängig davon einfach zu viele wurden, als dass sie noch als bedeutsam durchgehen konnten. Auch seine Promos und sein Charakter verloren für Kritiker mit der Zeit an Stärke, weil er zunehmend Selbstreferenzen, Insider-Anspielungen und Wunderlichkeiten einstreute, bei denen viele nicht mehr mitkommen.

Man kann Foley nicht vorwerfen, die Kritik nicht anzunehmen. Er kennt all seine wunden Punkte und thematisiert sie offensiv. Edge ließ er in der von ihm kreativ kontrollierten Fehde 2006 Dinge über ihn sagen, wie sie kein Internetkritiker schärfer hätte formulieren können. Und im letzten Impact vor Lockdown ließ Foley sogar sein Alter Ego Cactus Jack über ihn selbst und seinen verlorenen Biss schimpfen. Doch Foleys lässiger Umgang mit seinen Unzulänglichkeiten änderte nichts daran, dass seine Aktien in seiner Endphase bei der WWE rapide an Wert verloren.

Mit seinem Wunsch, im Programm eine prominentere Rolle zu spielen stieß er bei Vince McMahon immer öfter auf taube Ohren. Der WWE-Chef hörte zunehmend auf Kritiker wie Triple H, die die Meinung vertraten, dass Foley nicht mehr den Nutzwert früherer Tage hätte. Und der Zuspruch, den Foley zuletzt beim WWE-Publikum bekam - man denke an die Nullreaktion auf seinen Auftritt als potenzieller Gastringrichter beim Cyber Sunday 2007 - stützten die These. Und so wurde Foley zuletzt im Ring zum Helfer von Hornswoggle gegen Kontrahenten wie Jonathan Coachman und die Highlanders degradiert - ein Anblick, der Fans wie Kritiker Foleys gleichermaßen schmerzen musste. Nachdem er in seinem letzten WWE-Posten als SmackDown-Kommentator auch nicht mehr mit McMahon auf einen Nenner kam, trennten sich die Wege.

Zurück bei den Normalsterblichen

Bei TNA zeigen die ansteigenden Impact-Quoten seit Beginn seiner Fehde mit Sting, dass Foley bei prominenterer Platzierung durchaus noch seinen Wert hat. Die Kritik hat Foley aber auch in die Impact Zone begleitet und durch die Art und Weise wie er eingesetzt wird, teils noch verstärkt. Es ist auch mindestens irritierend, dass Foley seinen Status bislang nicht einsetzt, um ausgewählter Zukunftshoffnungen auf eine neue Ebene zu führen, sondern sich zu einem nur kurzfristigen Nutzen an Gegnern wie Sting und - der angeblich nächste Fehdenplan - Kurt Angle abreibt, die das längst nicht mehr benötigen.

Nun ist Foley also sogar World Champion, was der selbsterklärte "größte Übergangschampion der Geschichte" erfahrungsgemäß nicht lang bleiben wird. Trotzdem bewirkt er damit eine Blickwinkeländerung. Der World-Title-Gewinn erhöht die Ansprüche, Foley ist jetzt nicht mehr die Spezialattraktion, die in ihrer eigenen Sphäre schwebt und der man daher altersbedingte Abnutzungserscheinungen leichter verzeiht. Er wird nun mit demselben Maß gemessen wie andere Vollzeitwrestler auch - und Foley soll selbst besorgt sein, ob er beim geplanten Bound-For-Glory-Match gegen Kurt Angle das Niveau einigermaßen sicherstellen kann. Foley is God? Aktuell nicht, er ist zu den normalsterblichen Wrestlern herabgestiegen - ob er sich und seinem Vermächtnis damit einen Gefallen tut, ist die Frage, der er sich nun stellen muss.