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Randy Orton: Vom Problemkind zum Machtfaktor

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Published on:
02.06.2009, 23:59 
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Heftiger Ärger hinter den WWE-Kulissen. Ein einflussreicher WWE-Star nimmt den direkten Weg zu Vince McMahon, um sich über einen seiner Kollegen zu beschweren. Der Ligachef meint, dass der nun seine letzte Chance vertan hat und ordnet die Entlassung des Gescholtenen an. Und vorbei ist die WWE-Karriere eines Mannes, der vormals als einer der Zukunftshoffnungen schlechthin galt. Randy Orton hätte sich vor einiger Zeit jeder gut in dieser Geschichte vorstellen können - jedoch nicht unbedingt in der Rolle, die er darin tatsächlich gespielt hat.

Ortons Rolle in der Kündigung von Mr. Kennedy und zuvor in der Ausbootung des später entlassenen Manu bieten die Vorlage für diverse grobkörnige Bilder, die in der Netzwelt nun gemalt werden: Orton, der sich beim Chef über seine Kollegen ausweint und sie ans Messer liefert. Orton, der Machtmensch, der plötzlich über Karrieren richten kann. Orton, der Backstage-Intrigant, der hoffnungsvolle Talente aus der Liga wegmobbt.

Wie sehr solche vereinfachten Charakterzeichnungen den Kern treffen, dahinter steht ein größeres Fragezeichen - zumal die Karriereabstürze von Manu und Kennedy jeweils eine eigene Dynamik hatten, die womöglich auch ganz ohne Ortons Zutun letztlich zu denselben Resultaten geführt hätte. Dass Orton auf direktem Weg mit McMahon kommunizieren kann und sein Wort bei Entscheidungsprozessen augenscheinlich berücksichtigt wird, sagt allerdings schon für sich genommen genug aus über den erstaunlich Wandel und Aufstieg Randy Ortons: vom schwierigsten Problemkind der WWE zu einer Führungspersönlichkeit mit immer mehr Gewicht.

Talent fast vergeudet

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da schien Ortons Laufbahn am selben Punkt angelangt, den Kennedys jetzt erreicht hat. Die Karriere des Legend Killer schien abgewirtschaftet - durch Fehlentscheidungen seines Arbeitgebers, einerseits. Vor allem aber durch eine Latte eigener Verfehlungen und Affären, durch die er Gefahr lief, das Talent zu vergeuden, dass ihm Vater Bob und Großvater Bob Sr. in die Wiege gelegt hatten.

Nicht zuletzt wegen seines Erbguts als Wrestler in der dritten Generation galt Orton von Beginn seiner Karriere an als Versprechen - und eine Weile sah es so aus, als könnte es in Rekordzeit eingelöst werden. Die Aufnahme in die fast schon legendäre Evolution-Gruppierung, das Gimmick als selbstgefälliger Legend Killer, die Breakout-Fehde gegen Mick Foley wurden Bausteine eines steilen Aufstiegs - der beim Summer Slam 2004 in der Krönung als jüngster World Champion der WWE-Geschichte gipfelte.

Doch der vermeintliche Höhepunkt von Ortons Karriere war ein Wendepunkt nach unten: Der große Push für den damals gerade 24-Jährigen kam zu früh und war handwerklich missraten durch die Verknüpfung mit einem Babyface-Turn, der von den Fans nicht angenommen wurde. Einen Monat später verlor Orton den Titel zurück an Triple H und Pläne, ihn Orton bei WrestleMania zurückgewinnen zu lassen, landeten in der Schublade. Dabei war es nicht so, dass die WWE Orton nach diesem Fehlschlag fallen ließ. Stets war die Bemühung offensichtlich, die Main-Event-Karriere des Legend Killers wieder aufs Gleis zu bringen. Im Weg stand dabei aber lange Orton selbst.

Affären, Sperren und ein verstörendes Gerücht

Immer wieder kamen Gerüchte auf, dass Ortons Backstage-Verhalten die nötige Professionalität vermissen ließen. Es war oft nebulös, was über das Internet nach außen drang. Die Rede war von Kollegenhass, einem Wutbeherrschungsproblem, von einem Playboy-Leben und von einem angeblich empfundenen Gefühl, wegen seines Talents über den Regeln zu stehen. Zweifelsfrei gesichert sind Klagen über ein ungebührliches Verhalten gegenüber WWE-Diven. Zwei von ihnen - Amy Weber und Rochelle Loewen - verließen in Folge von Vorfällen mit Ortons Beteiligung die Liga. Ruchbar wurde auch, dass Orton kleinere Geldbußen mit einem Schulterzucken hinnahm, ohne etwas an seinem Verhalten zu ändern. Alles steuerte auf einen großen Knall zu, der sich dann im Frühjahr 2006 ereignete. Ein öffentlicher und "sehr schamloser Verstoß gegen eine sehr bekannte Firmenrichtlinie" (Wrestling Observer) wurde zum Anlass genommen. Orton 60 Tage wegen "unprofessionellen Verhaltens" zu suspendieren und zu „Anger-Management“-Kursen zu bewegen. Orton selbst erklärte später, dass der Genuss eines Joints der Anlass seiner Sperre war - was nicht überall für plausibel gehalten wird.

Glaubt man den Recherchen des durch seine Berichterstattung über die Von-Erich-Tragödie berühmt gewordenen Journalisten Irv Muchnick, soll sich kurz nach dieser Suspendierung fast eine Tragödie ereignet haben. Muchnick berichtete von einem Selbstmordversuch Ortons, der wegen einer Überdosis in ein Krankenhaus in seinem Geburtsort St. Louis gebracht worden sein soll - was Ortons Umfeld unter der Hand bestritt, ohne dass Muchnick von seiner Geschichte abwich.

Orton bekam von der WWE seine Chance, sich zu läutern, aber die Probleme hörten nicht auf. Im Sommer desselben Jahres handelte er sich eine Sperre wegen Verstoßes gegen die Anti-Drogen-Politik der Liga ein, im Frühjahr darauf schickte ihn die WWE von einer Europatour nach Hause, nachdem er in München ein Hotelzimmer verwüstete - wobei es später Berichte gab, dass dieser "Rockstar-Auftritt" Reaktion auf und nicht Grund für die Sanktion war. Orton wäre nach Hause geschickt worden, weil die Tour in untragbarem Zustand bestritten hätte. Es folgte noch ein Nachweis, dass Orton wie so viele andere Kollegen zwischen 2004 und 2007 Steroide und Wachstumshormone bei der vom FBI dichtgemachten Online-Apotheke "Signature Pharmacy" bestellte. Die WWE ersparte Orton eine Suspendierung mit der undurchsichtigen Begründung, er hätte schon eine Sperre wegen der Einnahme der Substanzen abgesessen.

Die "Viper" beißt sich fest

Zu diesem Zeitpunkt hatte Ortons Karriere schon wieder merklich Fahrt aufgenommen - angetrieben von einer Neudefinition seines Charakters. Aus dem durchtriebenen Schönling wurde ein kühler, kalkulierender Zerstörer, der sich in Mimik und Bewegungsabläufen an einer Giftschlange orientierte und mit dem Headpunt auch eine wirkungsvolle, neue Spezialaktion für sich entdeckte - und der die bis heute oftmals kritisierte, methodische Langsamkeit in Ortons Matches offensiv zum Identitätsmerkmal erhob.

Die Charakterauffrischung kam an - und weil Orton affärenfrei blieb, ging es mit ihm auch wieder steil nach oben. Im Herbst 2007 errang er gegen Triple H den WWE Title, nachdem ihn die Liga zuvor drei Jahre von einem wichtigen Gürtel ferngehalten hatte. Und die "Viper" Orton hat sich an der Spitze festgebissen. Eine wachsende Fanschar verehrt ihn nun schon fast kultisch und Kritiker feiern ihn in regelrechten Elogen. Vom "Klassenbesten einer goldenen Ära der Heels" sprach etwa Paul Heyman in seiner "Sun"-Kolumne.

Auch wenn viele Fans kritisieren, dass die WWE Orton noch konsequenter oben positionieren könnte: Gewisse Einbremsungen von Ortons Push sind wohl eher als Interessenausgleich zwischen den Topstars zu werten denn als Zeichen von einem wirklichen Misstrauen in Orton. Wie es um dessen Status hinter den Kulissen mittlerweile steht, dürften nicht nur die jüngsten Vorkommnisse erwiesen haben - auch die Tatsache, dass ihm jüngst ein Zehn-Jahres-Vertrag angeboten wurde, spricht Bände.

Dabei ist Orton auch heute noch keiner, der für den diplomatischen Dienst taugen würde. In Interviews macht Orton nie den Eindruck, Gedanken zurückzuhalten - auch wenn es gegen den eigenen Arbeitgeber oder Kollegen geht. So gab er zum Beispiel in aller Öffentlichkeit zu, dass er mit seinem langjährigen Theme "Burn in my Light" nie etwas anfangen konnte -oder aber auch, dass er Luftsprünge gemacht hätte, als ihn der letztjährige Draft von seinem Dauerrivalen Triple H befreit hatte (eingebettet in eine Geschichte über eine Unterhaltung mit seinem Buddy Umaga, die das nicht wie "work" erscheinen ließ). Zuletzt erregte Orton Aufsehen durch öffentliches Nachtreten gegen den entlassenen Manu, der auf sein Betreiben aus der sich formierenden Legacy geworfen wurde. "Er hatte das Gefühl sich nichts mehr erarbeiten zu müssen, weil er dachte, das hätte er schon", so Orton: "Der Grund dafür, dass er nicht mehr in der Liga ist, ist sein Backstage-Verhalten." Worte, von denen man früher auch nicht gedacht hätte, dass sie Orton mal über andere sagt.