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AJ Styles: Phänomen auf dem Sprung in die Ewigkeit?

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Published on:
26.09.2009, 11:46 
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Erinnert sich noch jemand an Richard und Rod Johnson, die maskierten Phallussymbole und ihren Manager mit dem schönen Namen Mortimer Plumtree? An die Flying Elvises? An die kleinwüchsigen Kämpfer Teo und Holly Wood? An Bruce, die männliche Miss TNA? Es gibt eine Reihe von Teilnehmern der ersten TNA-Show, über die nicht schnell genug der Mantel des Vergessens gelegt werden konnte. Es gibt nur noch drei, die heute noch für die Liga im Ring stehen: Jeff Jarrett - wobei sich fragt, wie lange noch -, James Storm - und AJ Styles. Weit mehr als Storm und auf eine gänzlich andere Art als Jarrett gilt Styles daher als die Verkörperung von Total Nonstop Action Wrestling. Sein Werdegang hat immer auch ein Stück die Geschichte seiner Liga erzählt - so auch jetzt, wo er sich nach vier Jahren erstmals wieder den World Title der Liga umschnallen durfte.

Styles hatte dabei schon eine bewegte Geschichte hinter sich, als die Liga 2002 mit ihm durchstartete. Styles ist als Allen Jones - die Initialen bilden seinen Künstlernamen - im südstaatlichen Georgia als Sohn armer Eltern aufgewachsen. Er erklärte in einem Interview einmal, dass er deshalb als Kind kein Wrestlingfan war, weil seine Eltern sich nur Antennenempfang leisten konnten - und er so nichts von den Wrestlingshows im Kabel-TV mitbekam. Erst über sein Talent als Amateurringer stieß er zum Wrestling - ein entsprechendes Stipendium hatte ihm ein College-Studium ermöglicht. Das brach er aber ab, um frühzeitig seine Karriere als professioneller Wrestler zu verfolgen.

Während er sich in der Indy-Szene von Georgia die ersten Sporen verdiente, schlug er sich unter der Woche mit Kleinjobs durch, arbeitete als Getränkelieferant und als Krankenwagenfahrer. Styles schaffte den Durchbruch auf die nationale Ebene Anfang 2001, als die WCW ihn und seinen NWA-Wildside-Rivalen Air Paris verpflichtete und aus ihnen ein Tag Team formte: Air Raid, ein Team mit einem ähnlichen Flieger-Image, das die WWE gerade Evan Bourne angeheftet hat. Das Dumme nur: Nach wenigen Auftritten war die WCW von der WWE aufgekauft - und Styles war seinen Job los.

Eine wichtige Zutat

Ein Jahr später kam die zum Monopolist gewordene Liga dann doch wieder auf Styles zu und bot ihm einen Development-Deal an. Styles lehnte den jedoch ab, aus Gründen, die im egozentrischen Wrestlinggeschäft selten sind: Er wollte seiner Frau einen Umzug mitten in ihrem Studium nicht zumuten. Stattdessen heuerte er im Mai 2002 bei der NWA TNA ein - einem der vielen Startup-Projekte, die genauso hätten scheitern können wie die XWF, die WWA - bei der Styles auch dabei war - oder das britische Wrestle Xpress. Dass TNA das nicht tat, kann sich Styles durchaus mit auf die Fahnen schreiben.

Styles war in dem Sammelbecken der eingangs erwähnten schrägen Vögel und den altbekannten Recken eine Zutat, die unheimlich wichtig war, um die junge Liga gedeihen zu lassen. Ein unverbrauchtes Gesicht mit modernem Highflying-Stil und atemberaubender Athletik, das aber gleichzeitig die Aura hatte, mehr zu sein als einer der vielen Flummis der Marke gesehen - bejubelt - vergessen. Der "Phenomenal One" wurde zum Gesicht der innovativsten Idee der Liga: Der X-Division, der TNA-Version der Cruiserweight-Division, in der aber eben keine Gewichtsgrenzen galten, sondern laut Liga-Leitspruch: gar keine Grenzen.

Styles wurde erster Champion der Division und verschaffte ihr Gewicht mit seiner Fehde gegen den nimmermüden Altmeister Jerry Lynn und den mit ihm aufstrebenden Lo-Ki. Nebenbei mehrte er seinen guten Ruf auch als reguläre Kraft bei der ebenfalls neu nach oben strebenden Indy-Eliteliga Ring Of Honor. Styles wurde dabei in kurzer so populär, dass er sich bei TNA auch für das Rennen um den NWA World Title qualifizierte. Und er holte den Titel im Rahmen einer immer wieder aufkeimenden Dauerrivalität mit Jeff Jarrett 2003 und 2004 auch zweimal - was ihn auch zum ersten Gewinner der inoffiziellen Dreierkrone der Liga machte. Formell war er damit ganz oben angekommen - nur bei genauerer Betrachtung war es damit dann doch immer wieder so eine Sache.

Nie mit aller Konsequenz ganz oben

In den Weiten der Netzwelt wurde vor einigen Monaten eine interessante Kolumne über die nicht minder Frage hinterlassen, warum AJ Styles eigentlich von TNA noch heute mit über 30 Jahren und über sieben Jahren in der Liga als "die Zukunft" des Wrestling gehypet wird - anstatt dass die Liga sich dazu aufrafft, Styles zur Gegenwart des Geschäfts zu machen. Es ist ein Schritt, den TNA in der Tat nie in aller Konsequenz gegangen ist.

Seit sich die Liga Ende 2004 mit der Einführung der monatlichen Pay Per Views selbst reformiert hat, hat sie Styles nicht mehr längerfristig im World Title Rennen platziert. Sein Schaden war das oft nicht. Im Gegenteil sind andere Phasen seiner TNA-Karriere weit besser in Erinnerung geblieben als seine World-Title-Regentschaften. Allen voran natürlich die schon legendäre Dreierfehde mit Christopher Daniels und Samoa Joe, durch welche die X-Division teils zu Pay Per View Main Events kam - was heute undenkbar geworden ist. Auch in der vielgelobten Tag Team Zeit mit Daniels, bei seiner zeitweisen Neuerfindung als Comedy-Heel und in seiner Fehde mit Kurt Angle hat er den eigentlichen Headlinern oft genug die Show gestohlen. Nicht zu vergessen all die Multi-Man-Matches, die durch seine spektakulären Einlagen schon zu berechenbar wurden - weil immer klar war, dass sie nicht zu Ende gehen würden, ehe Styles aus mehreren Metern irgendwo herunterspringt oder -fällt.

Die Rolle als World Champion hat man ihm aber vor dem vergangenen Sonntag nur noch einmal zugetraut: Im Jahr 2005 beendete er die vielkritisierte Langzeitregentschaft von Jeff Jarrett, nur um einen Monat später in einem King Of The Mountain Match völlig überraschend von Raven entthront zu werden. Ein Lauf der Dinge, der viele ratlos zurückließ - und begleitet wurde von der Internetmeldung, dass hinter den Kulissen auch seine engagiertesten Förderer in ihm nicht mehr als einen Übergangschampion sehen.

Förderer Russo

Warum eigentlich nicht? "Weil bei TNA nur Idioten am Ruder sind", ist natürlich eine Antwort, auf die man sich als Fan leicht zurückziehen kann. Nur: Werden sie der Frage wirklich gerecht? Denn so ganz unumstritten ist Styles ja auch beim Publikum nicht. Der großen Mehrheit aus seinen Verehrern steht im Internet auch eine kleine, aber sehr meinungsstarke Minderheit gegenüber, die auf dem Standpunkt steht, dass Styles wrestlerisch mehr Schein als Sein sei - und nicht besser als viele andere Highflyer auch. Besonders laut wurden die Kritiker 2005/2006, als sie bei Styles' Rückkehr zu ROH und bei anderen Indy-Auftritten nicht mehr das Engagement erkannten, dass sie in dem Bereich voraussetzen.

Weil Styles kaum noch außerhalb von TNA aktiv ist, ist diese Angriffsfläche verschwunden. Und letztlich hält auch eine mächtigere Internet-Opposition Karrieren auch nicht auf - siehe John Cena oder Jeff Hardy. Die Gretchenfrage ist, ob Styles im Rahmen der Möglichkeiten von TNA eine ähnliche Zugkraft wie die Genannten entwickeln kann. Oder ob er doch "nur" in der Rolle gefangen bleibt wie früher ein Chris Benoit in der WWE: Einer, der die Freunde guter Ringaction bei Laune hält, dem aber der dauerhafte Sprung an die Spitze wegen der fehlenden Wirkung auf die breitere Masse verwehrt bleibt. Dass bei einem Impact-Match gegen Daniels im Frühjahr fast eine Viertelmillion Zuschauer abschalteten, musste diejenigen, die Styles ganz oben sehen wollen, jedenfalls beunruhigen.

Wer Styles in jedem Fall Größeres zutraut, ist Vince Russo - was schon in NWA-TNA-Zeiten deutlich bemerkbar war. Das muss keine gute Nachricht sein, denn Russo hielt auch Buff Bagwell für den nächsten The Rock. Aber dass Russos gewachsener Einfluss hinter den Kulissen Styles gut getan hat, lässt sich an den jüngsten Entwicklungen deutlich ablesen. Wobei der erneute World-Title-Gewinn gar nicht der entscheidende Schritt für Styles weiteren Karriereverlauf ist. Erst mit dem Bound-For-Glory-Match gegen den wohl abtretenden Sting bietet sich jetzt auch die Möglichkeit, mit Styles einen Moment für die Ewigkeit zu kreieren. Es gab wohl noch keine bessere Gelegenheit, die so genannte Zukunft des Wrestling wirklich zur Gegenwart zu machen.