This text is hidden because it is only available in German language. Please click this line if you do not care and want to view it anyway.
Egal ob es Kentucky war, Tennessee, Virginia oder North Carolina: Keine der US-Bundesstaaten, in denen Smoky Mountain Wrestling operierte, war eine Hochburg der Gangsta-Kultur. Bei Ice-T dachte der Großteil des SMW-Publikums an ein Erfrischungsgetränk, bei Ice Cube an etwas, was man da reintut und bei NWA an nichts anderes als die National Wrestling Alliance. Man konnte es also als abwegig betrachten, in diese Liga ein Tag Team mit Gangsta-Gimmick zu holen - oder gerade deshalb als brillante Idee. Jim Cornette - der sich persönlich zu Ghetto-Style ungefähr so verhält wie Papst Benedikt zur Fetischszene - ging das Wagnis 1994 mit dem Engagement der Gangstas New Jack und Mustapha Saed ein. Und er schuf damit eine denkwürdige Kontroverse.
Mit den Gangstas bastelte Cornette eine Bombe, in der ein hochexplosives Gemisch aus quasi allen Elementen der Rassenfrage enthalten war. Die Gangstas vereinten Versatzstücke von Ghetto-Kultur, der Nation of Islam und einer pervertierten Interpretation der Bürgerrechtsbewegung. Am besten wurde das illustriert durch ihre Forderung, dass sie ihre Matches schon nach einem Two-Count statt einem Three-Count gewinnen sollten - als eine Form von Affirmative Action (Sammelbegriff für staatliche Maßnahmen, mit denen Minderheiten - z.B. auf dem Arbeitsmarkt - bevorzugt behandelt werden, um Diskriminierungen auszugleichen). Und der Zünder dieser Bombe war New Jacks rhetorische Tollwut und seine Fähigkeit, seine Zuhörer mit ein paar Worten in einen wütenden Mob zu verwandeln - gerade die in den Südstaaten der USA mit ihrer bekannten Vorgeschichte.
New Jack und Mustafa debütierten im Juli 1994 und brauchten eine Promo von New Jack, um aus dem Stand zu den meistgehassten Männern der Liga zu werden. New Jack hantierte mit Referenzen zu OJ Simpson, NoI-Chef Louis Farrakhan und Snoop Doggy Dogg und fabrizierte eine so wüste Brandrede in Richtung des Publikums, dass schon seine nächste Promo in der Woche darauf mit dem Schriftzug unterlegt war, dass die Ansichten der Gangstas nicht die des Senders repräsentierten - und an einigen Stellen weggepiepst wurden. Als Reaktion auf die Gangstas klinkten sich mehrere Sender aus der SMW-Syndizierung aus und sogar die Bürgerrechtsbewegung NAACP demonstrierte gegen SMW, weil sie nichts Gutes in dem Gimmick sah.
Wie bei Rodney King
Die Gangstas kündigten dann bei Night Of Legends an, dass sie es auf den Rock'n'Roll Express, die Tag Team Champions der Liga, abgesehen hatten - und ließen den Worten schon am nächsten Abend Taten folgen. Sie kosteten Ricky Morton und Robert Gibson durch einen Eingriff ihr Match gegen Brian Lee und Chris Candido und damit die Titel. Der Express gewann die Gürtel dann aber bei der darauffolgenden TV-Ausgabe wieder zurück - und der Weg für die Auseinandersetzung mit den Gangstas war frei.
Zwei Wochen nach dem Titelgewinn des Express nahmen Morton und Gibson die Herausforderung der Gangstas zu einem Non Title Match an - und siegten. Hinterher jedoch attackierten die Gangstas die Champions gemeinsam mit ihren Sicherheitskräften, die sie vorgeblich eingestellt hatte, um sich vor dem feindseligen Publikum zu schützen. New Jack, Mustapha und ihre Schergen prügelten mit Schlagstöcken auf den Express ein - eine deutliche Anspielung auf den in der Erinnerung noch frischen Fall Rodney King.
Es folgte eine Reihe von Matches der beiden Teams, die schnell in ungezügelten Prügeleien quer durch die Arena und auf die Parkplätze ausarteten. Bei einem Match in Johnson City etwa, das in Auszügen auf SMW TV gezeigt wurde, rammte Morton New Jacks Kopf so hart auf dessen Corvette, dass es die Alarmanlage auslöste.
Die Gangstas erklagen sich das Gold
Der Express gewährte den Gangstas schließlich ein Titelmatch bei SMW TV, in dem die Gangstas noch einmal einen Schlagstock einsetzten und so den Pinfall erzielen konnten. New Jack und Mustapha feierten bereits ihren Titelgewinn, als jedoch Commissioner Bob Armstrong einschritt und das Match neu starten ließ. Der Express verteidigte dann doch noch seine Titel.
New Jack und Mustapha witterten Diskriminierung und hatten in der Woche darauf eine schockierende Ankündigung zu machen. Sie hätten einen Bürgerrechtsanwalt eingeschaltet, der damit drohte SMW mit einer Multi-Millionen-Dollar-Klage zu belegen, sollte die Liga den Titelgewinn der Gangstas nicht anerkennen. Und tatsächlich: Die Gangstas wurden nachträglich zu den Siegern des Matches aus der Vorwoche und zu den neuen Champions erklärt. Unter den Buhrufen der Fans wurde dann ein Video eingespielt, in der New Jack und Mustapha ihren Sieg in ihrer Hood feierten.
Noch am selben Abend trafen sich New Jack und Gibson in einer Battle Royal wieder, in der die beiden als Letzte übrig blieben und dann so wild übereinander herfielen, dass beide disqualifiziert wurden. Zweimal strömte das SMW-Roster aus der Umkleidekabine, um Gibson und die Gangstas voneinander zu trennen. Morton war nicht mit von der Partie - er war zuvor von den Gangstas auf dem Arenaparkplatz k.o. geprügelt worden.
Morton wurde so übel zugerichtet, dass in der Woche darauf nichts von ihm zu sehen war - und die Gangstas schon sicher waren, ihn aus der Liga geprügelt haben. In der Woche darauf war dann in einem Video zu sehen, wie die Gangstas in einer Bar zu Gast waren und dort damit prahlten, was sie dem Express angetan hatten. Plötzlich jedoch stürmten Gibson und Morton die Lokalitäten und lieferten sich mit den Gangstas eine wilde Kneipenschlägerei. Am Ende wurde gar die Polizei verständigt, die Gibson und Morton verhaftete.
Eine undenkbare Partnerschaft
Morton war rechtzeitig wieder auf freiem Fuß, um New Jack zu einem Einzelmatch zu fordern, das aber nach weniger als einer Minute schon wieder beendet war, als beide Partner hinzukamen und wieder ein blutiger Brawl entstand, der vom gesamten SMW-Roster nicht unter Kontrolle gebracht werden konnten. Die Gangstas - mittlerweile verstärkt vom jungen D-Lo Brown, der als ihr Sicherheitschef fungierte - verteidigten ihre Titel dann bei Thanksgiving Thunder in einer Serie von Ghetto Street Fights erfolgreich gegen den Express.
Zur selben Zeit schaltete sich auch Jim Cornette in die Fehde ein: Begeistert davon, was die Gangstas seinen Erzfeinden Morton und Gibson angetan hatte, bot er den beiden an, sie zu managen. Womit er nicht rechnete: New Jack brüskierte Cornette mit der Anmerkung, dass die Zeit der Sklaverei vorbei wäre und die Schwarzen von heute keinen weißen Mann bräuchten, der sie herumkommandierte. Cornette war dermaßen gedemütigt, dass das Undenkbare passierte: Er nahm das Angebot von Morton und Gibson an, stattdessen sie zu managen, um die Gürtel bei Christmas Chaos zurückzugewinnen. Cornette und der Rock 'n' Roll Express - verfeindet seit zehn Jahren - verbündeten sich also tatsächlich, um es den Gangstas gemeinsam heimzuzahlen.
Obwohl die Geschäftsbeziehung, auf die der Express sich da einließ, äußerst spannungsreich war, führte sie zum Erfolg: Denn indem Morton und Gibson Feuer mit Feuer - respektive die Schlagstöcke der Gangstas mit Cornettes Tennisschläger - konterten, gewannen sie bei der Weihnachtsshow die Titel zurück. Die Gangstas ließen ihre Wut darauf an Cornette aus, den sie brutal attackierten, nachdem der nach dem Match einen Turn gegen den Express andeutete, stattdessen aber mit dem Racket auf New Jack losging. Die Gangstas schlugen mit aller Härte zurück und konzentrierten sich fortan voll auf Cornette, womit die Fehde gegen den Express beschlossen war.
- Der erwähnte Fall Rodney King erschütterte 1991 die USA: Der Afro-Amerikaner King wurde am 2. März 1991 in Los Angeles wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss festgenommen. Als er gegen seine Verhaftung Widerstand leistete, steigerten sich die Polizisten in einen Gewaltexzess, bei dem sie auf King eintraten und ihn mit ihren Schlagstöcken verprügelten. Die Szenen wurden von einem Passanten gefilmt und öffentlich gemacht, den Polizisten wurde der Prozess gemacht. Nachdem sie im Jahr darauf von einem Schwurgericht freigesprochen wurden, brachen in Los Angeles Rassenunruhen aus, die 53 Tote und mehrere tausend Verletzte forderten.